Mama sorgt für sich

Julia Otterbein

008 - Es braucht ein ganzes Dorf

02.11.2022 17 min

Zusammenfassung & Show Notes

Ein Kind ins Leben zu begleiten ist keine Einzel-Disziplin. Auch nicht für ein gemischtes Doppel. Es braucht viel mehr Schultern, um die Herausforderungen in der Begleitung von Kindern zu meistern. Aber:
  • Wer gehört zu meinem Dorf? 
  • Was gibt es für Möglichkeiten mein Dorf zu erweitern? 
  • Wie gestalten wir Beziehungen in unserem Dorf?
Darüber spreche wir in dieser Episode.

Blogbeitrag zur Podcast-Episode:
https://familywithlove.de/008

WEITERE EMPFEHLUNGEN

Episode 003 - Was ist das Besondere an Mama-Burnout?
Episode 004 - Bedürfnisorientierung gilt auch für Mütter

wellcome – Praktische Hilfe nach der Geburt 

Buch-Empfehlungen:
„Slow Family" Julia Dibbern/Nicola Schmidt

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Transkript

Hallo und herzlich willkommen zu einer weiteren Episode von "Mama sorgt für sich" Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen. Dieses afrikanische Sprichwort hast du sicher auch schon mal gehört. Auch ich nutze es regelmäßig, wenn Mütter regelrecht gefangen sind, in der Annahme alles alleine schaffen zu müssen, aber regelmäßig grandios an diesen übermenschlichen Erwartungen scheitern. Wir Menschen sind nicht dafür gemacht, unsere Kinder allein, nur in einer kleinen Familie mit maximal zwei Erwachsenen zu begleiten. Als kooperativ aufziehende Art, wie Nicola Schmidt sagt, braucht es viele Menschen, viele Schultern, die gemeinsam unsere Kinder ins Leben begleiten beziehungsweise uns Eltern dabei unterstützen. Alles allein schaffen wollen, obwohl wir wissen, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist. Das liegt aber auch in unserer deutschen Kultur. Und natürlich brauchen wir jetzt auch nicht von einem auf den anderen Tag ins komplette Gegenteil zu verfallen und ständig bei allen wegen jeder Kleinigkeit um Unterstützung zu betteln. Sondern wir dürfen uns im großen Graubereich zwischen diesen beiden Extremen bewegen. Mal dürfen wir mehr alleine schaffen, wenn wir genügend Energie haben oder das Leben gerade mal ruhiger ist, und genauso dürfen wir öfter mal um Hilfe bitten, um uns nicht auch noch durch falsche Ansprüche zu überfordern, wenn das Leben uns zwingt, sämtliche Energiereserven aufzufahren. In Zeiten, in denen ich genügend Kraftressourcen und Zeit habe, kann ich dann wiederum andere unterstützen. Und so wird das Ganze zu einem gegenseitigen Geben und Nehmen. Aber ohne gegenseitiges Aufrechnen, sondern so, wie es gerade passt und gebraucht wird. Voller Herz, Liebe und Verbundenheit. Dazu gehört auch Grenzen zu setzen: Für sich selbst, aber auch andere dürfen und sollen ihre Grenzen wahren, indem ein ehrliches Nein auf eine Anfrage akzeptiert wird. Ehrliche und wertschätzende Kommunikation. Aber schauen wir uns jetzt mal genauer an, was mit diesem Dorf gemeint ist. Das Dorf von früher bestand in der Regel aus der größeren Kernfamilie. Häufig gab es ja mehr Generationen, Haushalte oder zumindest wohnten alle räumlich nah beieinander, zum Beispiel im selben Dorf. Dazu kam dann noch die Nachbarn, die auch langfristig dort wohnten und somit für die Kinder zu festen Bezugspersonen werden konnten. Ich will dieses Dorf von früher hier nicht verherrlichen, denn es gab beziehungsweise gibt auch Nachteile und Herausforderungen in solchen seit Jahren gefestigten Strukturen. Ein solches Dorf ist nicht selbst gewählt. Berufe, Werte, Ideale und Erziehungsmethoden waren vorgegeben und wurden ein Stück weit blind übernommen. Allerdings gab es durch erprobte Lösungen und Herangehensweisen auch weniger Stress und Ratgeber:innen waren immer in direkter Nähe und Verfügbarkeit. Was Vorteil und Nachteil gleichzeitig sein kann. Heutzutage fehlt diese klare Orientierung, Der Wunsch danach, Familienleben anders zu gestalten, äußere Rahmenbedingungen, die durch Berufstätigkeit vorhandene finanzielle Mittel und einem vielleicht eher städtischen Lebensumfeld geprägt sind, bringen Unsicherheiten und Stress mit sich, was das Familienleben zusätzlich belasten kann. Zu viele Wahlmöglichkeiten überfordern uns in vielen Lebensbereichen, kosten wertvolle Energie und öffnen dem Perfektionismus Tor und Tür. Das moderne Dorf ist von Natur aus häufig erst mal deutlich kleiner und wird oft gar nicht als solches erkannt. Es muss dann in der Regel durch die Eltern bewusst vergrößert werden. Teilweise besteht es zwar immer noch aus Familienmitgliedern, aber es ist eher eine Ansammlung von bewusst gewählten Menschen. Und das ist in meinen Augen auch die besondere Chance im Vergleich zu früher. Ich erläutere jetzt mal die verschiedenen potenziellen Mitglieder deines Dorfes. Manche werden dir klar sein, dass sie für dich völlig selbstverständlich dazugehören, über andere wirst du vielleicht überrascht sein. Ich lade dich auf jeden Fall ein beim Hören mal für dich zu prüfen, und wenn du gerade die Möglichkeit hast, auch mal aufzuschreiben: Welche Person ist oder wäre das konkret in unserem Leben? Notiere dir da am besten auch die Namen, hatte ich diese Person bereits auf dem Schirm? Sehe ich diese Menschen als Teil meines Dorfes oder nicht? Und warum ist das so? Welche Ideen hören sich für mich noch neu an? Und wen könnte ich noch zusätzlich integrieren? Starten wir mit der Familie beziehungsweise Menschen, mit denen wir eine familienähnliche Beziehung haben. Neben Oma und Opa, die da immer als erstes genannt werden, gehören da natürlich auch eigene Tanten und Onkel vielleicht dazu, eben aus der gleichen Generation von Oma und Opa. Aber auch aus der eigenen Generation, also Geschwister, mit ihren Partnern und Familien, vielleicht auch Cousins, Cousinen und nicht zu vergessen die Patchwork-Konstellationen. Also getrennt lebende Elternteile mit ihren jeweils neuen Partnern, dadurch neu hinzugekommene Geschwister. So kann ein Dorf dann doch relativ groß werden. Außerdem gibt es mittlerweile viele befreundete Familien, die quasi zur Wahlfamilie werden. Manche von ihnen sind dann auch Patentante oder -onkel und ja bilden dann so ein Zwischenglied zwischen Freunden und Familie. Bestandteil fast jedes modernen Dorfes sind aber auch Institutionen. Wobei ich betonen möchte, dass es sich dabei nicht um Fremdbetreuung handelt. Auch wenn dieser Begriff in diesem Zusammenhang häufig genutzt wird. Ich finde ihn total irreführend, denn die Menschen, denen wir und unsere Kinder dort begegnen, sind ja keine Fremden, sondern werden mit der Zeit zu Vertrauenspersonen und gehören unter anderem genau deshalb auch zu unserem Dorf. Gemeint sind hier die Kita oder die Tagesmutter für die jüngeren Kinder, aber auch die Schule beziehungsweise die Schulbetreuung. Der nächste, logische Bereich sind alle weiteren Menschen, denen wir regelmäßig in unserem Alltag begegnen, oder die ein Teil unserer Lebenswelt sind. Sicher können und sollen nicht per se alle Menschen, denen wir begegnen, auch zu wirklichen Dorfmitgliedern werden. Aber es können sich einzelne wertvolle Verbindungen ergeben und es lohnt sich, genauer hinzuschauen, mit wem man zumindest mal einen Versuch starten könnte. Da sind erstmal die Nachbarn. Ganz naheliegend. Die Menschen, die mit uns zusammen leben in nächster Nähe, so wie es auch früher im Dorf war. Durch Umzüge, die heute ja deutlich häufiger sind, aus beruflichen oder auch anderen Gründen, können sich da aber auch Veränderungen ergeben. Gibt es andere Eltern, deren Kinder mit unseren gemeinsam in die Kita oder Schule gehen, die Eltern, der Freunde unserer Kinder, Familien, denen wir bei Mutter oder Vater-Kind-Gruppen begegnen, Vereine, in denen wir oder unsere Kinder ihre Freizeit verbringen und auch Kirchengemeinden. Das alles sind Bereiche, wo wir einfach schon Leben miteinander teilen und aus diesen Verbindungen kann dann auch mehr werden. Nun folgen noch zwei Bereiche über die wir bewusst unser Dorf erweitern können. Es sind Menschen, die wir gezielt dafür kontaktieren, dass sie uns unterstützen und um ein Teil unseres Dorfs zu werden, teilweise auch gegen Geld. Der einzige Nachteil: Eine solche Beziehung muss dann natürlich erstmal aufgebaut werden. Es gibt zunächst kein verbindendes Element, man weiß nicht von Anfang an, ob diese Beziehung auch wirklich gelingt. Dennoch ist es einen Versuch wert und gerade wenn aus den vorher genannten Bereichen nur wenige Personen oder Personen mit begrenzten Zeitressourcen zusammengekommen sind. Ehrenamtlichen Dienste. Als erstes fällt mir dann immer wellcome ein. Wellcome bietet praktische Hilfen nach der Geburt an und richtet sich an alle, die ein Kind im ersten Lebensjahr haben und sich praktische und unbürokratische Hilfe suchen wollen. Dabei ist es egal, ob es das erste Kind ist oder ob es bereits Geschwisterkinder gibt. Wellcome entlastet einfach alle Familien, die sich in dieser ersten Zeit Unterstützung wünschen und diese Unterstützung bekommen sie durch Ehrenamtliche, die sie im Alltag entlasten, wie es sonst Familie, Freunde oder Nachbarn tun könnten. Etwas weitergefasst, wäre dann die Nachbarschaftshilfe zu nennen. Auch da gibt es Vereine und Ansprechpartner vor Ort, über die man dann zueinander finden kann. Auch sogenannte Leihomas oder -opas werden an dieser Stelle mit ihren Familien zusammengebracht. Wenn du nicht weißt, welche dieser Angebote es bei euch so gibt, dann suche doch mal im Internet nach dem Stichwort Familienzentrum oder Nachbarschaftshilfe in eurem Wohnort oder eurer Region. Dort kann man euch dann sicherlich Auskunft geben, welche konkreten Angebote es gibt und wer euch wie unterstützen kann. Klassische, bezahlte Unterstützung für das Familienleben sind dann Babysitter, die Ferienbetreuung, sowohl in der Schule als auch Ferienfreizeiten oder Fußballcamps. Nachhilfe oder Hausaufgabenunterstützung, denn gerade hier kann ja viel Stress zwischen Eltern und Kindern entstehen, sodass es sich lohnt über bezahlte Unterstützung an dieser Stelle nachzudenken. Und last but not least: die Haushaltshilfe. Entweder selbstfinanziert, oft auch vermittelt über Kontakt in der Nachbarschaft, aber teilweise und je nach Lebens- oder Gesundheitssituation auch über die Krankenkassen finanzierbar. Ich habe dir nun einen bunten Strauß an Möglichkeiten mit vielen Beispielen vorgestellt, und möchte dich gerne nochmal an meine Fragen erinnern, um aus diesen theoretischen Möglichkeiten auch wirklich ein lebendiges und echtes Dorf entstehen zu lassen. Welche konkreten Personen zum Teil unseres Dorfes? Welche könnten es noch werden? Notier dir ihre Namen und mach dein Dorf dadurch sichtbar. Das kannst du auch ganz kreativ machen mit verschiedenen Verbindungslinien, die du zwischen den einzelnen Menschen aufzeichnest. Es könnte sogar ein gemeinsames Familienprojekt werden. Welche der genannten Personen hatte ich bisher nicht auf dem Schirm? Könnten sie zukünftig Teil unseres Dorfes werden? Und wie kann ich neue Menschen in meinem Dorf integrieren? Was ist hier der erste Schritt, den ich gehen kann? Wie füllen wir das Dorf aber mit Leben und wie gestalten wir unser Miteinander? Denn die Personen allein sind noch nicht das, was ein Dorf ausmacht, sondern eben die Beziehung, die wir miteinander gestalten. Beziehungen gestalten, hört sich in deinen Ohren erstmal aufwendig an? Ja und nein. Natürlich brauchen wir Zeit dafür, aber nicht unbedingt so viel, wie du vielleicht jetzt denkst. Wir können auch alltägliche Erledigungen miteinander tun und dabei Zeit zusammen verbringen. Oder uns die Vorbereitung für unser Zusammensein teilen beziehungsweise die Erwartungen an Gastgeber überarbeiten, Einige wunderbare Ideen für ein entspanntes und gleichzeitig unterstützendes Miteinander findest du im Buch "Slow Family" von Nicola Schmidt und Julia Dibbern. Die beiden berichten von kleinen Ritualen, die unsere Verbindung miteinander stärken. Oder wie du deine Kinder kleine Aufträge erledigen lassen kannst, um ihren Aktionsradius und damit auch das Dorf und den sicheren Hafen zu erweitern. Wenn ihr euch trefft, dann muss nicht alles vorher perfekt sein, wie bei einem Staatsbesuch. Zeigen wir uns lieber ehrlich und machen uns durch unsere Treffen das Leben leichter. Gemeinsam kochen oder sogar putzen, Dinge gemeinsam angehen, statt nur da zu sitzen und rumzujammern. Denn da geht es eigentlich hinterher keinem wirklich besser und vor allen Dingen hat sich nichts dadurch verändert. Oder wie wir es eine Zeit lang mal gemacht haben. Ein "Slow Family&Friends" Treffen. An einem festen Termin im Monat, ohne großen Aufwand für die Gastgeber, jeder steuert etwas bei und alle helfen hinterher aufzuräumen. Der Fokus liegt dann auf der gemeinsam verbrachten Zeit, den Kontakten, die dadurch entstehen und die Beziehungen, die gefestigt werden. So etwas kannst du natürlich auch in deiner Hausgemeinschaft oder deiner Nachbarschaft initiieren. Als Impuls möchte ich dich heute ermutigen, echte Verbindungen zu den Menschen in deinem Umfeld entstehen zu lassen. Dafür braucht es: Augenkontakt, echtes Zuhören, echtes Dasein, ganz Dasein, einander zugewandt sein, auch körperlich, sich aufeinander auszurichten, achtsam aufeinander zu hören und ungeteilte Aufmerksamkeit. Dafür braucht es nicht unbedingt viele Stunden am Stück, sondern diese Nähe kann sich auch durch kleine Alltagszeremonien entwickeln. Wie eine täglichen, morgendlichen Begrüßung mit der ernst gemeinten und ehrlich beantworteten Frage: "Wie geht es dir heute?" Dafür darfst du in Vorleistung gehen und ehrlich von dir selbst sprechen. Das hilft an deinem Gegenüber, ebenfalls ehrlich zu sein und dann kann eine echte Verbindung entstehen. Ich hoffe, dass ich dir mit dieser Episode Mut machen konnte, dass du als Mutter nicht alles alleine schaffen musst und das ist keine Schande, sondern vielmehr "artgerecht" ist, Hilfe anzunehmen. Die Anforderungen des Familienalltags müssen eben nicht nur in der Kleinfamilie unter Einsatz aller vorhandenen Energiereserven erledigt werden. Artgerechtes Leben heißt, Leben gemeinsam zu gestalten, Lasten gemeinsam zu tragen, ehrlich und zugewandt miteinander umzugehen. Lass dein Dorf wachsen, in der Größe und auch in der Tiefe der Beziehungen. Du musst es nicht allein schaffen und du bist auch nicht alleine. Auch ich kann ein Teil deines Dorfes sein und dich mit meinem Wissen und meiner Erfahrung unterstützen. Mit meinen kostenlosen Impulsen hier in diesem Podcast, aber auch im persönlichen Austausch beim Coaching. Ganz persönlich eins zu 1 oder in der Gruppe. Alle Infos dafür findest du auf meiner Webseite. Alles Liebe für dich, deine Julia.